No-Poo Was steckt hinter dem Verzicht auf Shampoo?

Produktvergleich zuletzt aktualisiert am 15.06.2020
Dr. Lisa Dinh 15.06.2020 8:15 min

Schon etwa seit dem Jahr 2014 geistert der Begriff No-Poo durch verschiedene Blogs und Berichte im Internet. Heute ist er präsenter, denn je. No-Poo ist eine Abkürzung für „no shampoo“ und bezeichnet einen Trend, zumindest auf konventionelle Shampoos und Haarpflegemittel komplett zu verzichten.

In seiner extremsten Form verzichten Anhänger auf jegliche Art von Shampoo und pflegen ihr Haar nur mit Wasser. Bis dahin gibt es allerdings viele Zwischenstufen. Was hinter diesem Trend steckt und welche alternativen Möglichkeiten es zur Haarpflege gibt, soll im Folgenden erläutert werden.

Warum haben wir Haare auf dem Kopf?

Der Mensch ist eigentlich fast überall behaart. Mit Ausnahme der Fußsohlen, Handinnenflächen und der Lippen sprießen die Haare bei jedem, mal mehr mal weniger stark. Im Laufe der Evolution sind die Körperhaare des Menschen allerdings deutlich weniger geworden und von dem Fell, welches einst die Vorfahren der Menschen bedeckte, ist nur noch wenig zu sehen. Wissenschaftler vermuten, dass der Rückgang der Haardichte auf ein Leben in der afrikanischen Savanne zurück zu führen ist, dem Ort, der nachweislich die Wiege der Menschheit darstellt. In dieser sehr heißen Umgebung stört dichtes Haar die Verdunstung von Schweiß. Auf glatter Haut läuft dieser Prozess erheblich besser und der Körper kann somit besser gekühlt werden.

Einzig die Kopfhaare blieben als langes und dichtes „Fell“ erhalten. Ihre biologische Funktion besteht in der Regulation des Wärmehaushaltes im Kopf. Durch Abschirmung des Kopfes vor UV-Strahlen, schützen sie unser Gehirn vor Überhitzung, gleichzeitig wirken sie wärmeisolierend und schützen es vor Unterkühlung. Diese Funktionen sind ein Überbleibsel unserer animalischen Herkunft, haben aber in unserer Gegenwart annähernd keine Bedeutung mehr. In der heutigen Zeit besitzen die Kopfhaare im Grunde nur noch eine Funktion: Dekoration. In allen Kulturkreisen dieser Welt stellen gepflegte Haare ein Attribut für Schönheit dar. Egal, ob lang oder kurz, glatt oder gelockt, gefärbt oder natura, sie sollen bitte einen gesunden Glanz haben und sanft und geschmeidig fallen. Außerdem ist eines ganz besonders wichtig, sie dürfen absolut niemals fettig sein. Eine häufige Pflege mit speziellen Produkten ist daher wohl sehr wichtig, oder?

Warum müssen wir unsere Haare überhaupt waschen?

Ausschlaggebend für das Aussehen und die Beschaffenheit der Haare ist die Kopfhaut. Sie ist es auch, die durch Shampoos primär gereinigt wird. Daher sollen Shampoos auch in die Kopfhaut einmassiert werden, während Spülungen nur auf das Haar selbst aufgetragen werden. Die Kopfhaut ist im Grunde genauso aufgebaut, wie die übrige Haut des Körpers auch. Sie beinhaltet lediglich erheblich mehr Haarfollikel und ist durch den ständigen Schutz durch die Haare selbst etwas empfindlicher. Sie besteht aus drei Schichten. In der Oberhaut befinden sich fast ausschließlich kreatinbildende Zellen und verhornte Plattenepithelzellen. Sie bilden einen festen Schutzmantel, verhindern die Austrocknung des darunterliegenden Gewebes und schützen es vor Eindringlinge von außen. Die darunter liegende Lederhaut besteht aus kollagenen Fasern und definiert die Elastizität der Haut. In dieser Schicht befinden sich Blut- und Lymphgefäße, Nervenendigungen zur Sinneswahrnehmung, Zellen des Immunsystems, Haarfollikel und Talgdrüsen. Die innerste Hautschicht, die Unterhaut, besteht im Wesentlichen aus lockerem Binde- und Fettgewebe, enthält aber natürlich auch Gefäße und Nervenendigungen.

Besonders die Talgdrüsen spielen auf der Kopfhaut eine sehr wichtige Rolle. Sie kommen zwar grundsätzlich auf der ganzen Haut vor, sind aber besonders mit Haarfollikeln assoziiert. Entsprechend ist ihre Anzahl in der Kopfhaut immens. Bei Talg (lat. Sebum) handelt es sich um ein individuelles Gemisch unterschiedlicher Fette, die zweierlei Wirkung besitzen. Zum einen wirkt Talg direkt auf die Haut. Es hält die Oberhaut nicht nur geschmeidig, sondern schützt sie in erster Linie vor der Austrocknung. Außerdem ist der Talg wesentlich für die Bildung des natürlichen Säureschutzmantels der Haut verantwortlich, der den Organismus vor allen Dingen vor Eindringlinge von außen bewahrt. Mit zunehmendem Alter reduziert sich die Talgproduktion. Dadurch haben ältere Menschen öfter Probleme mit trockener und verletzlicher Haut. Talg wirkt aber auch auf das Haar. Das zähflüssige Sekret läuft als dünner Film das Haar hinunter und bildet eine wasserabweisende Schicht. Diese wirkt einer Austrocknung des Haares entgegen, die dafür sorgen würde, das seine biologische Funktion nicht mehr ausreichend erfüllt werden kann.

Da diese biologische Funktion aber heute keine Relevanz mehr hat und wir schönes und unfettiges Haar bevorzugen, kommen wir in einen Konflikt mit den natürlichen Abläufen unseres Körpers. Die Aktivität der Talgdrüsen reguliert sich nämlich im gesunden Zustand ganz nach dem Bedarf an Talg. Wenn wir nun unsere Haare waschen, um sie von der unschönen Fettschicht zu befreien, lösen sich nicht nur die Fette aus den Haaren sondern auch von der Kopfhaut. Die natürliche Hautflora kann, je nach verwendetem Produkt, dabei so stark angegriffen werden, dass die Talgproduktion anschließend stark angekurbelt wird. Dadurch führt häufiges Haarewaschen zu vermehrter Talgproduktion und somit zu viel schneller fettenden Haaren.

Was ist an Shampoo besonders problematisch?

Alle konventionellen Shampoos enthalten mal mehr mal weniger aggressive Tenside. Diese meist synthetischen Substanzen sorgen dafür, dass das Shampoo schön schäumt. Das ist aber nicht der wichtigste Effekt. Tenside können durch ihren Aufbau Fette binden und in Form winziger Fetttröpfchen im Wasser einfangen. Sie sind dadurch ein äußerst wirkungsvolles Reinigungsmittel. Tenside, die in Shampoos verwendet werden, binden somit den Talg aus den Haaren und von der Kopfhaut, wodurch die eigentlich wasserabweisende Substanz ganz einfach abgespült werden kann. Häufig verwendete synthetische Tenside in Shampoos sind z.B. Polyethylenglycol (PEG) oder Natrium Lauryl Sulfat. Beide wirken nicht nur zu stark reinigend auf die Kopfhaut, sondern sind auch aus gesundheitlicher und ökologischer Sicht nicht unbedenklich. Eine zu gründliche Reinigung mit tensidhaltigen Shampoos greift den natürlichen Säuremantel der Kopfhaut, sowie den natürlichen Schutz der Haare an. Eine Folge können starke Reizungen, Rötungen und Juckreiz, sowie Pilzinfektionen oder bakterielle Entzündungen der Kopfhaut sein. Das Haar ist außerdem stärker von Austrocknung bedroht und wird schnell spröde. Daher bedarf es weiterer Pflegeprodukte, bzw. Inhaltsstoffe im Shampoo, um dem entgegen zu wirken. Hierzu werden sehr häufig Silikone verwendet. Sie glätten das Haar optisch und lassen es glänzend wirken. Doch handelt es sich auch hier um einen bedenklichen Zusatzstoff, der sogar noch nicht einmal wirklich pflegend wirkt. Und zu diesen ganzen Folgen des Haarewaschens kommt auch noch, dass das Haar, welches eigentlich primär gereinigt werden sollte, durch diesen Eingriff schneller nachfettet, weil die Talgproduktion zur Regeneration der natürlichen Hautflora hoch reguliert wird. Ein wirklich reinigender Effekt der Haare ist somit nur kurzzeitig gegeben und für die Kopfhaut außerdem sehr oft zu aggressiv.

Etwas milder geben sich natürliche Zucker- oder Kokostenside, die häufig in naturkosmetischen Shampoos verwendet werden. Sie wirken ebenso fettlösend, sind aber bei weitem nicht so aggressiv, wie synthetische Tenside. Ihre Wirkung zur Fettlösung ist deutlich schwächer, was sich auch in der geringeren Schaumbildung bei natürlichen Shampoos zeigt. Durch ihre milde Wirkung greifen sie den Säuremantel der Kopfhaut nicht so stark an. Sie haben einen reinigenden Effekt auf Haut und Haar und begünstigen gleichzeitig nicht eine verstärkte Talgbildung. Dadurch sind natürliche Shampoos, die aufgrund ihrer hochwertigen Inhaltsstoffe zwar meist etwas teurer sind, deutlich effizienter.

In einer etwas abgeschwächten Form von No-Poo wird daher zugunsten von natürlichen Shampoos auf rein konventionelles Haarshampoo verzichtet. Dadurch wird eine regelmäßige gründliche Reinigung gewährleistet, aber eine Schädigung von Haut und Haar reduziert. Im direkten Vergleich lassen nicht nur Tenside ein konventionelles Shampoo alt aussehen. Eine ganze Reihe fragwürdiger Inhaltsstoffe zieht sich durch die gesamte Produktpalette der großen Hersteller. Viele chemische Zusatzstoffe stehen in der Kritik und wirken nachweislich negativ auf Gesundheit und Umwelt. Von daher bietet naturkosmetisches Shampoo eine sanfte Alternative für alle, die sich und ihre Umwelt schonen möchten, aber sich dennoch regelmäßig die Haare waschen möchten. Zu häufig sollte dies aber trotzdem nicht sein. Je nach Haarlänge empfiehlt es sich 1-2 mal wöchentlich die Haare zu waschen, um die Kopfhaut nicht übermäßig zu strapazieren.

Welche Alternativen gibt es bei einem kompletten Verzicht auf Shampoo?

Im eigentlichen Sinne bedeutet No-Poo allerdings einen kompletten verzicht auf Shampoo. Anstelle dessen können einfache Hausmittel oder auch nur Wasser zur Reinigung der Haare verwendet werden. Interessanterweise ist das Basisgerät für No-Poo zunächst eine wirklich gute Haarbürste. Am besten geeignet sind wohl Bürsten aus Wildschweinborsten, oder auch vegane Bürsten aus Naturfasern, wie Sisal. Beide Materialien können, im Gegensatz zu Kunststoffborsten, den Talg vom Haaransatz über das gesamte Haar verteilen. Überschüssiger Talg kann sogar von den Borsten selbst aufgenommen und später heiß abgewaschen werden. Häufiges bürsten glättet nicht nur das Haar, sondern stimuliert auch die Durchblutung der Kopfhaut, was sich positiv auf das Wachstum der Haare auswirkt.

Neben der richtigen Bürste bleibt noch die Frage, womit sich die Haare natürlich reinigen lassen können. In einschlägigen Blogs finden sich reichlich Tipps und Hinweise, welche natürlichen Rohstoffe zur Reinigung der Haare herangezogen werden können. Einige sollen hier kurz vorgestellt werden:

Lavaerde

Bei Lavaerde handelt es sich um eine Tonerde, die meist aus Nordafrika stammt. Sie kann in reiner Pulverform gekauft werden und muss zur Anwendung nur mit kochendem Wasser aufgegossen werden. Das Gemisch nimmt Schmutz und Fette aus dem Haar auf, greift aber den Säuremantel der Kopfhaut nicht an. Es gibt auch fertige Produkte, die auf der Basis von Lavaerde aufgebaut sind. Hier ist aber dennoch ein kritischer Blick in die Liste der Inhaltsstoffe geboten.

Roggenmehl

Roggenmehl enthält im Vergleich zu Weizenmehl weniger Gluten und bildet keine so stark teigige Konsistenz, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Zur Reinigung der Haare können 4-5 Esslöffel Roggenmehl mit Wasser vermengt und in das Haar einmassiert werden. Neben seiner fettlösenden Wirkung enthält Roggenmehl auch Mineralstoffe und Vitamine, die vom Haar aufgenommen werden können. Nach kurzem einmassieren kann die Mischung einfach aus dem Haar ausgespült werden.

Waschnüsse

Waschnüsse sind die Früchte des Seifenbaumes. Es handelt sich um einen tropischen Baum, der in Mittel- und Südamerika wächst. Seine Früchte werden von den Menschen vor Ort schon seit Jahrtausenden zur Reinigung verwendet. Zur Reinigung der Haare werden getrocknete Waschnüsse mit kochendem Wasser übergossen, in das die waschaktiven Substanzen der Nüsse dann übergehen. Der Sud wird gleichmäßig im Haar verteilt und anschließend einfach ausgewaschen.

Weitere natürliche Alternativen zum Shampoo sind Haarseifen, Heilerde, Kaffeepulver, Kakao oder Seifenkraut. Hausmittel zur eigenen Herstellung von Shampoos bzw. Haarreinigungsmittel gibt es reichlich. Hier gilt es erst einmal, aus zu probieren, welches Mittel zur individuellen Haarpflege am geeignetsten erscheint. Die individuelle Wirksamkeit hängt stark vom Hauttyp und der natürlichen Beschaffenheit der Haare ab. Es kann sich als aufwendig erweisen, die eigene perfekte No-Poo-Methode zu finden, aber lohnen kann es sich auf jeden Fall.

Dr. Lisa Dinh

Dr. Lisa Dinh ist freie Wissenschaftsredakteurin für Biochemie. Ihr Grundstudium absolvierte Sie an der Nanyang Technological University in Singapur Ihre Promotion erhielt Sie an der Masaryk University in Brünn.

Als freie Redakteurin schreibt Sie Fachartikel über Frauengesundheit, Naturkosmetik, Ernährung, Meditation und vieles mehr. Da sie zweisprachig aufgewachsen ist, verfasst Sie Texte in Deutsch als auch in Englisch.